Viele Projektleiter meinen es gut, wenn sie den Einführungszeitpunkt für ein Projekt früh im Voraus auf den Tag genau festlegen.
Häufig wird sogar der 31. Dezember angegeben und das den Interessengruppen so kommuniziert, um das Gefühl zu geben, dass das Projekt noch innerhalb des Jahres erledigt wird.
Bei kleineren Projekten mag diese Rechnung aufgehen, bei grösseren Vorhaben mit längerer Laufzeit von mehreren Monaten oder Jahren wird das schwierig.
Das täuscht eine Genauigkeit vor, die häufig nicht eingehalten werden kann und birgt das Risiko, bei einer kleinen Verspätung eine gefühlte riesige Verspätung zu erfahren.
Ich kann es mir nicht vorstellen, dass so weit in die Zukunft so präzise geplant werden kann. Oder es wird so viel Reserve eingebaut, dass es nicht mehr seriös ist.
Es kann immer etwas dazwischenkommen, ungeplante Abwesenheiten von Projektteilnehmenden, Verzögerungen bei Entscheiden, Verspätungen bei Lieferungen von externen Lieferanten, etc.
Denn Murphy’s Law kann bei jedem Projekt eintreffen: 'Wenn etwas schiefgehen kann, wird es schief gehen!'
Dieses Verhalten ist typisch für ein komplexes System und muss akzeptiert und gemanagt werden.
Entsprechend gibt es folgende Faustregeln für die Planung:
- Kommuniziere je nach Zeithorizont eine andere Genauigkeit von wichtigen Lieferterminen, je kurzfristiger, desto genauer, je langfristiger, desto grober.
Hier geht es vor allem um die Kommunikation nach aussen, projektintern kannst du natürlich genauer planen. Zum Beispiel:
- Bis drei Monate im Voraus: Auf den Tag genau angeben (1. Januar 2025)
- Vier bis zwölf Monate im Voraus: Auf den Monat genau angeben (April 2025)
- Mehr als ein Jahr im Voraus: Auf das Quartal genau angeben (Drittes Quartal 2026)
Beachte, dass die Zeit fortschreitet. Anfangs 2025 ist der Termin «April 2025» bereits kurzfristig und sollte darum bald auf den Tag genau angegeben werden.
Daraus entsteht eine rollende, z.B. monatliche Planung, so dass mit fortschreitender Projektlaufzeit die Liefertermine immer genauer werden.
- Gib in der Planung nicht den letzten Tag im Kalendermonat, sondern den ersten im Folgemonat (z.B. anstatt 31. Dezember 2024 den 1. Januar 2025) an.
Das hat psychologische Gründe.
Ist das Projekt nur um einen Tag verspätet, ist es «schlimmer», wenn nicht im alten Monat, oder im alten Jahr, sondern erst im neuen Monat oder Jahr geliefert wird.
Gefühlt ist dann das Projekt einen Monat resp. ein Jahr verspätet, auch wenn es sich tatsächlich nur um einen Tag Verzögerung handelt. Gibt man jedoch den ersten des Monats als geplanten Liefertermin an und schafft es auf den zweiten, ist dieser eine Tag meistens gut verkraftbar.
Mit geeigneter Bezeichnung kann das sehr gut sprachlich unterstützt werden.
Anstatt einen rückblickenden Ausdruck wie «System eingeführt» zu verwenden, nenne den Einführungszeitpunkt vorwärtsschauend am Ersten des Monats «Start der Anwendung».
Zusätzlich entsteht dadurch auch eine auf den Kunden ausgerichtete Sprache.
- Plane nicht alles auf den letzten Tag.
Häufig wird noch am letzten Tag getestet und man wundert sich, wenn ein Fehler auftritt. Testen ist gut, aber früher.
Dass die Zeit immer bis zum Schluss genutzt wird, hat bereits Cyril Northcote Parkinson im Parkinson-Gesetz festgehalten: 'Arbeit dehnt sich in genau dem Mass aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.'
Plane das Projekt ein bis zwei Wochen vor dem offiziellen Einführungszeitpunkt ganz abzuschliessen, zum Beispiel mit einem technischen Lieferdatum.
Das sind Faustregeln. Faustregeln müssen an die jeweilige Situation angepasst werden und kommen häufig, aber nicht immer zur Anwendung.
So gibt es Projekte, die von Anfang an zu einem fixen Termin liefern müssen, zum Beispiel bei einer Datenmigration oder Ablösung eines Systems.
Umso wichtiger ist es dann, genügend Reserven einzuplanen.
Ansonsten bin ich in den letzten Jahren mit diesen Faustregeln sehr gut gefahren. Viel Erfolg.