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Erfahrung als Erfolgsfaktor für komplexe Vorhaben

Um was geht es?

Das Thema Berufs- und Lebenserfahrung ist ein sehr wichtiges Thema, welches ein riesiges Potential aufweist. Es wird aus meiner Sicht viel zu wenig und zu wenig bewusst genutzt. Deshalb denke ich, dass es sich lohnt, sich darüber Gedanken zu machen. Darum hier 10 spannende Fragen und mögliche Antworten zum Thema Erfahrung.

Von Peter Roth, 4. April 2024

Was ist Erfahrung?

   

«Als Erfahrung bezeichnet man die durch Wahrnehmung und Lernen erworbenen Kenntnisse und Verhaltensweisen oder im Sinne von „Lebenserfahrung“ die Gesamtheit aller Erlebnisse, die eine Person jemals hatte, einschließlich ihrer Verarbeitung. [Wikipedia]» Die Lebenserfahrung eines Menschen kann sowohl in der Tiefe (umfangreiche Erfahrung in einem bestimmten Bereich – Spezialisierung) und/oder in der Breite (Erfahrung in verschiedensten Bereichen – Generalisierung), und aus technischen, organisatorischen, methodischen, persönlichen, sozialen und anderen Elementen bestehen. Grundsätzlich besteht die Lebenserfahrung eines Menschen aus allen Facetten, die das Leben bietet. Und sie ist so individuell wie der Mensch selbst.

Wo können Erfahrungen erworben werden?

Überall!

Beruflich

  • Im beruflichen Alltag zu fachlichen, technischen, organisatorischen, sozialen und methodischen Themen, Learning-by-Doing, Theorie und Praxis
  • Bei Sonderaufgaben: in Kommissionen, Taskforce, Projekten etc.
  • Bei Perspektivenwechsel: Jobwechsel, Jobrotation, Auszeit, Projekten etc.
  • Bei beruflichen Weiterbildungen: Technik, Methodik, Agilität, Leadership, etc.
  • Bei Selbständigkeit/eigener Firma: unternehmerisches Denken und Handeln, Risiken und Chancen, Markt, Kundenzentrierung etc.
  • Uvm.

Privat

  • In der Familie, Freundschaft und Gemeinschaft: soziale Strukturen und Verhalten, Verantwortung, Kommunikation
  • Politik: Strukturen, Verhandeln, Gewinnen und Verlieren, Mehrwert, Interessensvertretung mit Parteien und Lobby
  • Vereinswesen: Zuständigkeiten, Rollenverteilung, AKV ohne Weisungsbefugnisse, Kommunikation, Vision, Gemeinschaft
  • Sport: Gesundheit, Training, Wettkampf, Disziplin, Mut, etwas wagen, Zielorientierung
  • Kultur: Werte, Kreativität, Abstraktion, Symbole, Tradition
  • Reisen: Offenheit, Kommunikationsfähigkeit, Planung, Neugierde, Umgang mit beschränkten Ressourcen, Verantwortung, Umgang mit Unvorhergesehenem und Unsicherheit, Vertrauen, Informationen aufnehmen
  • Uvm.

Privat und beruflich erworbene Erfahrungen können sich natürlich auch überlappen und verschmelzen (Beispiele: Geschäftsreisen, Familienunternehmen, Politik oder Sport werden beruflich ausgeübt).

Wie können Erfahrungen erworben werden?

Erfahrungen können absichtlich oder unabsichtlich erworben werden.

  • Absichtlich/geplant: Einen Teil von Erfahrungen werden systematisch und gezielt geplant, gesammelt und aufgebaut. Dies kann bewusstes Learning-by-Doing oder ein Praktikum im Beruf sein, ein gezielter Trainingsablauf nach Trainingsplan im Sport, ein detaillierter Plan auf Reisen unter Berücksichtigung aller möglichen Erschwernissen und Besonderheiten wie Sprache, Essen, Bekleidung, oder eine Routenplanung auf einer Bergtour unter Berücksichtigung des Wetterverlaufes, der Ausrüstung und der mentalen und physischen Vorbereitung.
  • Unabsichtlich/ungeplant: Auf der anderen Seite werden Erfahrungen gemacht aufgrund ungeplanter Ereignisse und Verhaltens. Meist reagiert der Mensch auf Ereignisse, Zustände, Verhalten und lernt daraus. Diese speziellen Situationen sind meist erstmalig und einmalig in dieser Konstellation. Für Aussenstehende ist diese Situation nur schwer nachzuvollziehen. Nur wer diese Situation persönlich erlebt hat, kann sie selbst beurteilen, reflektieren und daraus die richtigen Lehren ziehen. Übrigens kann künstliche Intelligenz unabsichtlich gemachte Erfahrungen nicht oder nur bedingt abdecken.

Welche Typen von Erfahrungen gibt es?

Ich unterscheide zwischen erstmalig gemachten Erfahrungen und aufbauenden Erfahrungen, analog unserer Erst- und Weiterbildung. Die erstmaligen Erfahrungen passieren vor allem in jungen Jahren. Also der erste Job, der erste Kuss, das erste Kind, der erste Erfolg/Misserfolg, die erste Steuerrechnung, die erste Projektkrise etc. Oder wenn man sich aus der eigenen Komfortzone bewegt, sei dies die erste Höhentour oder ein Forschungsprojekt. Je spezieller, einmaliger und intensiver und aussergewöhnlicher eine Situation ist, desto nachhaltiger bleibt. Aufbauende Erfahrung gewinnt man, wenn man in eine Situation gerät, die so oder ähnlich schon mal vorgekommen ist, und man auf der Erfahrung der ersten Situation die erworbene Erfahrung anwenden und weiterentwickeln kann. Mit jeder Anwendung der Erfahrung werden die Erkenntnisse und Verhaltensweisen verbessert. Aufbauende Erfahrungen gewinnt man auch, wenn man Erkenntnisse über mehrere, unterschiedliche Erfahrungen erhält. Darum können Erfahrungen auch wachsen.

Ist alles, was man erlebt, eine Erfahrung?

Ich denke, grundsätzlich ja, jedoch gibt es Erlebnisse, welche für sich nicht relevant sind, gar nicht oder nur vage wahrgenommen und/oder schnell wieder vergessen werden. Meistens spricht man dann von Erinnerungen und nicht von Erfahrungen, weil keine Erkenntnisse daraus erworben wurden. Wertvolle Erfahrungen entstehen erst, wenn sie speziell (besonders, einschneidend, etc.) sind und wenn sie auch bewusst reflektiert und Lehren und Erkenntnisse daraus gezogen werden.

Ab wann ist man erfahren?

Erfahrung beginnt mit der Geburt und hat kein Enddatum. Man muss nicht 80 Jahre alt werden, um erfahren zu sein. Bereits ein Jugendlicher beispielsweise kann bereits grosse Erfahrung im Sport haben, weil er diesen sein halbes Leben ausübt. Trotzdem lernt er bei jeder Ausübung und im Training immer wieder neues dazu, dabei erweitert sich das Spektrum an Themen, wie auf Grundlagentraining, Mentaltraining, Erholung, Ernährung, Materialkunde. Trotzdem darf man allgemein sagen, dass je älter eine Person ist, umso grösser ist der Rucksack an Erfahrungen, die er oder sie mitbringt.

Erfahrungen sind umso wertvoller, je mehr man sich mit dieser Erfahrung auseinandergesetzt hat. Das kann auf der einen Seite durch Reflexion und Erkenntnis geschehen, auf der anderen Seite durch Wiederholen und Verbessern.

Selbstverständlich gehen Erfahrungen auch wieder vergessen, vor allem, wenn sie für sich selbst nicht von Bedeutung sind. Auch verändern sich Erfahrungen mit der Zeit, weil diese zwar noch präsent ist, sich der Kontext jedoch verändert hat, was andere oder sogar neue Sichtweisen ergibt.

Spannend finde ich auch die Beobachtung, dass man sich im mittleren Alter um die 40 schon selbst als sehr erfahren (Senior oder Expert) betrachtet und sich gar nicht vorstellen kann, wieviel neue, wertvolle Erfahrungen in den weiteren Jahren noch dazukommen können. Möglicherweise ein Grund, warum die Erfahrung von älteren Arbeitnehmern weniger wertgeschätzt wird, weil die jüngeren sich gar nicht vorstellen können, was alles dazukommen kann.

Welche Erfahrungen sind wertvoll?

Erfahrungen sind dann für eine bestimmte Problemstellung, einen neuen Job oder ein Vorhaben wertvoll, wenn sie relevant sind. Das muss individuell beurteilt werden. Umgekehrt zeigt sich, dass die Relevanz sich häufig nur auf das Fach und die Technik beschränkt und andere mindestens so wichtige Faktoren sträflich vernachlässigt werden.

Erfahrungen vor allem in sozialen, zwischenmenschlichen und persönlichen Bereichen sind wahrscheinlich immer relevant, wenn es um Menschen und Zusammenarbeit geht. So zum Beispiel in Projekten oder in der Führung. Ebenfalls sind Erfahrungen in Planung, Koordination, Problemlösung weit und immer mehr gefragt.

Welche Erfahrungen sind nicht wertvoll?

Es muss aber auch erwähnt werden, dass es Erfahrungen gibt, die einen Menschen hemmen oder blockieren, sei die aus negativen Erlebnissen wie ein Betrug oder ein Unfall, im schlimmsten Fall mit einem Trauma. Allgemein kann man wahrscheinlich auch sagen, dass mit zunehmender Erfahrung die Risikobereitschaft abnimmt. Das sieht man vor allem auch im Sport oder beim Autofahren, wo mit dem Alter und aufgrund der Anzahl und Tragweite der gemachten Erfahrungen diese weniger ausgeprägt ist. Dabei muss man diese nicht einmal mit eigenen Naherfahrungen mit Stürzen und Unfällen untermauert, sondern kann diese Erfahrung von Dritten gelernt haben. Solche Erfahrungen können zwar persönlich auch wertvoll, aber für eine bestimmte Aufgabe hinderlich sein.

Warum ist der Umgang mit Erfahrungen vor allem im beruflichen Kontext so schwierig?

Auch Erfahrungen sind somit Kenntnisse und Verhaltensweisen, welche eine Person erworben hat und wiederum auch im Beruf anwenden kann. Also ähnlich wie in einem Training, mit den folgenden Unterschieden:

In einem Training werden meist nur Sachen gelernt, die im Voraus beabsichtigt sind. Diese werden beschrieben und können wiederholt, beurteilt, bewertet und z.B. in Form von Zertifikaten bezeugt werden. Somit ist auch für Aussenstehende mit wenig Aufwand und Kenntnissen möglich, diese Kenntnisse (mit den nötigen Vorkenntnissen) sowohl zu erwerben oder zu beurteilen. Als schönes Beispiel dient diejenigen Personalabteilung, die Stellenbewerber vor allem aufgrund ihrer Zertifikate und Referenzen auswählt, das immer häufiger auch mit Unterstützung durch künstliche Intelligenz (KI).

Unabsichtliche und ungeplante Erfahrungen sowohl im beruflichen wie auch im privaten Umfeld werden aufgrund von Ereignissen gemacht, welche nicht geplant werden können und sich in einem ganz spezifischen Kontext ergeben. Somit ist es für Aussenstehende sehr schwierig, die ganze Tragweite dieser Erkenntnis zu erkennen und zu beurteilen. Entsprechend tun sich Vorgesetzte, Auftraggeber oder Personalabteilungen schwer, diese Erfahrungen zu beurteilen, auch wenn sie möglicherweise den Schlüssel zu Erfolg sind.

Warum sind Erfahrungen ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Erfolgsfaktor vor allem in komplexen Vorhaben und Projekten?

Komplexität «bezeichnet eine große Anzahl von Elementen, vielfältigen Wechselwirkungen, Strukturen und Prozessen in einem Zusammenhang [Wikipedia]». Es ist also die Vielschichtigkeit eines Vorhabens mit einer riesigen Menge an Möglichkeiten, welche nur teilweise geplant und in einer Schulung gelernt werden können. Dazu kommt, dass Projekte per Definition einzigartig sind, das heisst in dieser Konstellation erstmalig vorkommen.

In Projekten «passieren» laufend ungeplante Ereignisse, welche eine kleinere oder grössere Tragweite auf das Projekt haben. Fehlt einem Projektleiter die Erfahrung für solche Ereignisse, welche nicht oder nur bedingt in einer Schulung antrainiert werden kann, muss der Projektleiter die Situation zuerst einmal erkennen, analysieren, als wichtig oder kritisch beurteilen und eine entsprechende Lösung oder Handlung erarbeiten. Das braucht Zeit und es besteht ein hohes Risiko, dass dies nicht auf Anhieb gelingt. Hat der Projektleiter mit einem solchen Ereignis bereits Erfahrung, das heisst er hat es mehrmals so oder ähnlich erlebt, kann er schnell die richtige Lösung oder Handlung umsetzen. Da solche ungeplanten Ereignisse zum Alltag eines komplexen Projektes gehören, wird eine umfassende Lebenserfahrung vor allem des Projektleiters aber auch beim gesamten Projektteam zum Erfolgsfaktor für das Projekt.

Gerne unterstütze ich Sie in Ihrem Vorhaben. Schildern Sie mir in einem ersten unverbindlichen Gespräch Ihr Anliegen. Ich höre Ihnen aufmerksam zu und zeige mögliche Vorgehen auf und wie ich Sie von meiner Seite unterstützen kann. Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme!

Peter Roth


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